Der Ausdruck der Hände

Die Hand steht für Berührung das Kino aber muß alle Sinneswahrnehmungen in Blicke umformen. Die erst Großaufnahmen der Filmgeschichte richteten sich auf das menschliche Gesicht, die nächsten auf die Hände. Oft sollen die Hände etwas verraten, was der Ausdruck des Gesichts verbergen will: etwa, wenn die Hand ein Glas zerdrückt ohne daß im Gesicht Erregung abzulesen ist.

Obwohl die Hände auch ein Kennzeichen der Person sind, stellt das Kino doch kaum je einen Menschen mit einem Blick auf die Hände vor. Wer und was ein Mensch ist, das liest der Film im Gesicht ab, und dort sucht er auch nach der Seele. Für die Hände bleibt da das Triebhafte. Die Hände sind wie die kleinen Leute: man kann sie nicht recht von einander unterscheiden, sie tun ihre Arbeit und verstellen sich nicht groß. Die gefilmte Hand fordert die Phantasie heraus, sie als ein krabbelndes Tierchen aufzufassen.

Es gibt ein ganzes Genre, in dem die Hand ihrem Eigner den Dienst aufkündigt und sich selbständig macht. Hat sie sich losgemacht, will sie Hälse würgen und wird zur Strafe gern festgenagelt, auf einem Klavier etwa. Nun zappelt und zuckt sie und findet weniger Mitleid als eine Ratte.

(Harun Farocki)

Regie Harun FarockiBuch Harun Farocki, Jörg BeckerKamera Ingo KratischTon Klaus Klingler Schnitt Max ReimannRecherche in den USADavid Barker, Tom Bigelow Format Video-BetaSp, 1:1,37 ProduktionHarun Farocki Filmproduktion, Berlin, für den WDR RedaktionWerner DütschLänge 30 Min. Erstsendung07.09.1997, 3sat