"Woran denkt man bei einer Auster?" fragt ein Mann im Anzug und weißen Hemd und malt die Umrisse einer solchen Molluske auf ein weißes Flipchart. Er will auf den Unfall, die produktive Verletzung hinaus, die in einer Auster eine Perle entstehen lassen kann. "Verletzung" ist natürlich kein erwünschter Begriff für dieses Bild. Nein, es ist "eine Öffnung, die positive Resultate hat." Ja, ja, we get it. Die Unbeholfenheit, mit der er seinen Kollegen das Bild vermitteln möchte, erinnert an den Deutschunterricht. Er tut einem fast ein bisschen leid.
Doch hier greift der Film mit einem Schnitt ein: die nächste Einstellung präsentiert die geschickte Anwendung der nun fertig formulierten Austernmetapher im Produktgespräch. Dieser Handgriff wiederholt sich ein paar Mal, so dass wir die Abfolge der Brainstorming-Meetings und den Transfer des dort entwickelten Vokabulars in ein Konzept, das Kunden präsentiert wird, nachvollziehen können.
Man kann die Mischung aus konzeptueller Forschheit und intellektueller Unbeholfenheit belächeln, aber was sich in diesem verharmlosenden Vokabular und eifrigem Enthusiasmus verbirgt ist unsere Weltordnung. Begreift man die Arbeit des QT im gesamtgesellschaftlichen Kontext, wird einem etwas bang. Wie viele dieser Meetings wird es wohl tagtäglich in der Welt geben? Wie viele Wege, die marktwirtschaftliche Kälte zu kaschieren, werden täglich mit bunten Filzstiften in nette, anschauliche Bilder verwandelt? Die Verniedlichung neoliberaler Marktwirtschaft ist grotesk – aber irgendwie faszinierend.
(Isabelle Moffat)
Regie, Schnitt Harun Farocki Kamera Ingo Kratisch Recherche, Produktion, Ton Matthias Rajmann Mischung, Online-Schnitt Jan Ralske Produktion Harun Farocki Filmproduktion, Berlin auf Einladung von Die Auftraggeber, kuratiert von Nina Möntmann für Deichtorhallen. Internationale Kunst und Fotografie, Hamburg, 2012, Format video, Farbe, Ton Länge 37 Min.
All Works of this Decade:
Ein neues ProduktSauerbruch Hutton Architekten